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Review

Alternativ Musik

Ojra & Kiritchenko – A Tangle Of Mokosha

Während die ländliche Ukraine einer der wildesten Gegenden ist, die ich je besucht habe, und als solche Stoff für so einige bizarre Reiseanekdoten liefert, sind ukrainische Großstädte kulturell keineswegs hinter dem Westen zurückgeblieben. Ein Beispiel dafür ist das Tandem-Festival in Dnipropetrovsk, das sich zum Ziel setzt, Musiker der unterschiedlichsten Genres zusammenzubringen. So fanden sich 2009 der Soundkünstler Andrey Kiritchenko und die Folkloregruppe Ojra, aus derem Zusammenspiel A Tangle of Mokosha entstand – ein Projekt, das einem so sicher nicht oft begegnet. Ojra haben sich der Aufgabe verschrieben, traditionelles und oft vergessenes ukrainisches Liedgut zu sammeln und am Leben zu erhalten. Die Titel – man mag sie kaum Songs nennen – werden von Halyna Breslavets auf so treffende und berührende Weise vorgetragen, dass man das Projekt schon allein aus Sentimentalität und musikalischer Abenteuerlust gutheißen will. Doch Kiritchenko unterlegt sie geschickt mit Beats und leiser Elektronik, die vor allem auf Na Yordantsi an Nitin Sawhney und seine Experimente mit indischer Musik erinnern und so auch vordergründig nicht zum Zielpublikum gehörende Menschen ansprechen. Doch abgesehen von Na Yordantsi steht auf A Tangle of Mokosha die Folklore im Vordergrund, und Kiritchenko hält sich mit Experimenten zurück. Ebenso wie altertümliche Melodien verwenden Ojra traditionelle Instrumente wie Maultrommel und Mundorgel. Es fällt schwer, bei so fremder Musik einzelne Titel beschreiben zu wollen; es dauert einige Durchläufe, bis die Unterschiede deutlich werden. Doch auch ohne vertiefende Recherche ist die sentimentale Stimmung der Musik sofort zu erkennen, und das Album hält den Hörer gefangen in einer fremden und gleichzeitig berührenden Welt. Man muss kein Experte sein, um A Tangle of Mokosha etwas abgewinnen zu können, gleichzeitig muss man sich aber darauf einlassen und das Fremde, im wahrsten Sinne Alternative, auf sich wirken lassen.